Ein ganz besonderer gewöhnlicher Bogen. Thomas und sein Rattanbogen.

Rattanbogen Thomas Detailaufnahme Mai 2017

Für unsere neue Reihe „Mein Bogen und ich“, bei wir Eure Lieblingsbögen vorstellen, will ich, Thomas,  hier den Aufschlag machen und Euch meinen liebsten Bogen vorstellen. Wobei ich gemerkt habe, dass die Entscheidung gar nicht so einfach ist, wenn man – wie wahrscheinlich viele von Euch – mehr als einen Bogen besitzt.

Drei Bögen besitze ich. Alle selbst gefertigt. Und jeder von ihnen mit einer ganz eigenen Geschichte, die mich mit dem Bogen verbindet.

Für meinen ersten Bogen wählte ich damals Esche als das Bogenholz meiner Wahl. Es war eine besondere Erfahrung, stunden- und tagelang mit großer Sorgfalt das Holz zu bearbeiten, das Frühholz vom Spätholz zu trennen, den Wuchs des Stammes zu beachten, mich immer näher an das Ziel heranzutasten. Das Ergebnis machte mich stolz und sehr zufrieden, und der Bogen half mir in der Folgezeit, Erfahrungen zu sammeln, meinen eigenen Stil zu finden. Diese Geschichte verbindet uns.

Langbogen aus Esche mit stählerner Seele
Langbogen aus Esche mit stählerner Seele

Für meinen zweiten Bogen, den ich wenige Jahre später anging, wählte ich wieder einen Eschenrohling. Diesmal bekam der Bogen ein höheres Auszugsgewicht als der erste – knapp 40 Pfund. Und auch diesmal war ich mit dem Ergebnis der Arbeit sehr zufrieden. Doch nach vielen hundert Schuss zerbrach der Bogen. Eine Ast-Verwachsung in der Mitte des Staves, um die ich sorgsam herum gearbeitet hatte beim Bau des Bogens, hatte ich wohl falsch eingeschätzt, sie hielt der Belastung nicht stand. Ein großer Schreck, eine Enttäuschung. Aber den Bogen deshalb wegwerfen? Nein! Mit der Unterstützung meines Bogenbaulehrers bekam der Bogen im Griffbereich eine Längsbohrung und einen Kern aus Stahl. Nun ist er kein reiner Holzbogen mehr, sondern man könnte ihn Komposit- oder Laminatbogen nennen – in nicht ganz vorausgeplanter Bauweise, aber so ist das Leben eben manchmal. Gerade durch diesen Makel ist der Bogen besonders, unverwechselbar, und das macht ihn mir sehr lieb und verbunden.

Mein dritter und neuester Bogen ist erst wenige Wochen alt. Er ist aus Rattan mit eingebogenem Recurve, hat ein Auszugsgewicht von 20 Pfund. Eher ein Anfängerbogen. Eher gewöhnlich. Und ich habe ihn nicht einmal zur Gänze selbst gebaut. Gerhard Wiedemann hat ihn erstellt, und ich habe ihn dabei fotografiert, wodurch Ihr den Bogen nun in unserer Bauanleitung Rattanbogen bestaunen könnt. Ich selbst habe nur das Finish des Bogens gemacht – Schleifen und Ölen. Und als der Bogen fertig war, da war er irgendwie übrig, und ich habe ihn halt mitgenommen und zu meinen anderen Bögen gestellt. Diese Entstehungsgeschichte hat keine tiefe und emotionale Bindung zwischen mir und dem Bogen mit sich gebracht.

Und doch, so muss ich mittlerweile feststellen, ist mir dieser Bogen der liebste geworden. Denn natürlich habe ich ihn dann auch mal zur Hand genommen und geschossen – und dabei seine ganz besonderen Qualitäten entdeckt. Mit jedem Schuss wurde er mir lieber, und mittlerweile schieße ich überwiegend mit diesem Bogen.

Rattanbogen und Pfeil auf Holz

Ihr wollt wissen, welche versteckten Vorzüge ich fand? Welche zuvor geheim gebliebenen Eigenschaften er mir offenbart hat? Nun, das Besondere an diesem Bogen ist, dass er nichts Besonderes sein will. Er ist zurückhaltend und uneitel. Und wird mir dadurch zum Freund. Er tritt nicht vorlaut und protzend auf, und ich muss nicht mit ihm angeben („… den habe ich selbst gemacht, und zwar aus einem ganz besonderen Holz …“). Er ist ein Bogen.
Durch die relativ geringe Auszugskraft des Bogens nimmt er sich angenehm zurück. Ich muss nicht meine Stärke unter Beweis stellen, keine Kraftprotzerei betreiben. Er setzt mir wenig Widerstand entgegen, er lässt mich vielmehr kommen, lässt mich machen. Er wirft mich auf mich selbst zurück. Und ist mir gerade dadurch ein Spiegel und ein Lehrmeister. Seit ich mit diesem Bogen schieße, nehme ich meine Schusstechnik intensiver wahr, bewege mich sorgfältiger und achtsamer, gleichmäßiger wohl auch, und bin mehr im Augenblick. Weniger abgelenkt vom Bogen. Ich bin es, der schießt. Ich bin es, der spannt, der ankert, der loslässt und nachspürt.

Ich mag diesen Bogen, gerade weil er so vieles NICHT ist. Weniger Schein, mehr Sein. Dass er so wenig ein besonderer Bogen ist, sondern vielmehr ein ganz gewöhnlicher, das macht ihn mir besonders. Er ist ein Bogen. Und er hat mich gelehrt, im Gewöhnlichen das Besondere zu sehen.

Was ist das Besondere für Euch? Erzählt uns die Geschichte zu Euren Bogen.

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